Burg Hohenberneck

Porzellan im Fichtelgebirge

Katja Winkler

Erstellt | Geändert

Porzellan im Fichtelgebirge

Porzellan im Fichtelgebirge

Das Fichtelgebirge – Zentrum des „Weißen Goldes“

Fast jeder kommt täglich damit in Berührung. Für den einen ist es ein wenig beachteter, ja selbstverständlicher Gebrauchsgegenstand des Alltagslebens, für den anderen ein Kunststück, mitunter sogar ein „Kultobjekt“. Frauen mittleren Alters sollen ein geradezu erotisches Verhältnis zu ihm entwickeln, und namhafte Künstler versuchen sich immer wieder daran, das spröde, zerbrechliche, dabei mit dem Härtegrad eines Diamanten ausgestattete Material nach ihren Eingebungen zu formen und zu schmücken.

Die Rede ist vom Porzellan, dem „Weißen Gold“ unserer Tage. Der Apothekergeselle Johann Friedrich Böttcher aus Berlin sollte im Auftrag des sächsischen Kurfürsten August des Starken Gold aus minderwertigen Materialien machen, was ihm nicht gelang. Am Ende seiner alchemistischen Versuche aber stand die Erfindung des europäischen Hartporzellans, das für die Fürsten zur Goldgrube wurde.

Nachdem das „Arkanum“, das Geheimnis um die Herstellung des begehrten Stoffes langsam bekannt wurde, entwickelten sich an vielen Orten Deutschlands Manufakturen, deren klangvolle Namen noch heute bekannt und geschätzt sind.

Die Hutschenreuther Story

Um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert verschlug es den thüringischen Handlungsreisenden und Porzellanmaler Carl Magnus Hutschenreuther aus Wallendorf mit seiner Kiepe voller Porzellanwaren in das Fichtelgebirge. Schon mit 18 Jahren handelte er seine Porzellane im Fränkischen und im Böhmischen. Dabei führte ihn sein Weg auch nach Hohenberg an der Eger, einem kleinen Grenzort zu Böhmen. Dort fand er seine große Liebe – und neben Feldspat und Quarz auch Kaolin, den Hauptbestandteil der Porzellanmasse. Hier siedelte er sich an.

1814 war es dann soweit, er eröffnete einen Buntwarenbetrieb. Die Weißware bezog er noch aus Thüringen. Seit einiger Zeit aber beschäftigte sich sein rühriger Geist mit der Frage, wie die langsamen Manufakturprozesse verkürzt und die Produktionsmengen gesteigert werden könnten, ohne dass die Qualität darunter leiden musste.

1822, nach acht Jahre währendem Kampf, unter anderem auch gegen die Interessen der königlichen Porzellanmanufaktur Nymphenburg in München, war es dann soweit: er erhielt die königlich bayerische Konzession für seine Porzellanfabrik. Fortan stellte er sein eigenes Weißporzellan her.

Das Fichtelgebirge darf daher als Geburtsort der industriellen Fertigung dieses Produktes betrachtet werden und wurde so zur Keimzelle einer ungeahnten Entwicklung. Von der Porzellanmanufaktur Meißen wurde schon bald die Lizenz für das Zwiebelmuster erworben. Porzellane mit diesem Dekor gehören noch heute zum Inventar vieler Haushalte. Auf dieser Grundlage baute der Erfolg des jungen Unternehmens in den Folgejahren auf.

Die Firma florierte und in Gestalt seines Sohnes Lorenz war auch die Nachfolge geregelt, so schien es zumindest. Doch der Sprößling ging eigene Wege. Nach dem Tod des Stammvaters Carl Magnus 1845 führte die Witwe Johanna die Geschäfte mit allen erwachsenen Kindern in gewohnter Manier weiter, solide und konservativ.

Das passte dem designierten Juniorchef gar nicht, er wollte neue Ideen verwirklichen und stritt mit der Mutter darüber. Man konnte sich nicht einigen und Lorenz ließ sich sein Erbteil von 40.000 Gulden ausbezahlen, um eine neue Firma zu gründen. Seit 1855 stand er mit Selb, damals ein Bauern- und Weberdorf, in Verhandlungen wegen der Neuansiedlung eines Industriebetriebes.

Da kam ihm der Zufall zu Hilfe. 1856 brannte Selb vollständig ab. Lediglich 3 Häuser überstanden die Feuersbrunst, die Einwohner waren obdachlos geworden und hatten alle Habe verloren. Schnelle Hilfe tat not, zumal es damals noch keine Versicherungen zur Schadensregulierung gab. Das Königreich Bayern half mit Zuschüssen, Lorenz Hutschenreuther mit der Einrichtung seiner Porzellanfabrik in der ehemaligen Ludwigsmühle ab 1857. Sie brachte vielen der Bedürftigen Lohn und Brot. Die Karriere der Porzellanstadt Selb hatte damit begonnen.

Die Porzellanwerke C.M. und Lorenz Hutschenreuther entwickelten sich in der Folgezeit als zwei voneinander völlig unabhängige Firmen sehr gut und verhalfen ihren Produkten zu Weltruf. Erst 1970 wurden beide Firmen in der Hutschenreuther AG zusammengeführt. Der derzeit noch laufende Strukturwandel brachte das Ende dieser Aktiengesellschaft und die Verteilung von Firmenanteilen auf Neugründungen, z. B. b.h.s. tabletop (Bauscher, Hutschenreuther, Schönwald).

Rosenthals Philosophie

Philipp Rosenthal war ein begabter Porzellanmaler aus dem Fichtelgebirge. Fleißig versah er das von Hutschenreuther bezogene Weißporzellan mit unterschiedlichen Dekoren. Die kamen beim Publikum so gut an, dass er zum ernsthaften Konkurrenten für seinen Lieferanten wurde. Dieser wollte ihm darauf hin keine Weißware mehr geben.

Das ließ den findigen Rosenthal nicht ruhen und kurzerhand entschloss er sich, seine eigene Porzellanfabrik zu bauen. 1869 kam sein erstes Produkt auf den Markt, ein Aschenbecher mit der sinnigen Aufschrift „Ruheplätzchen für brennende Cigarren“.

Rasch gewann das neue Unternehmen die Gunst der Käufer und wurde zum zweiten großen Porzellanwerk im Fichtelgebirge. Seinem Enkel Philip blieb es vorbehalten, mit seiner Philosophie der „Kunst für den Alltag“ Weltruhm zu erringen. Herausragende Künstler unserer Zeit entwarfen Formen und Dekore für Rosenthal, Gläser, Möbel und Bestecke ergänzten die Zutaten für den schön gedeckten Tisch. Nur um einige Namen zu nennen: Otmar Alt, Bjørn Wiinblad, Marcello Morandini, Dorothy Heffner und viele andere.

Für jedermann sichtbar ist die fruchtbare Zusammenarbeit in den „Künstlerzimmern“ des Rosenthal Casinos, des Gästehauses der Firma. Dieses steht aber allen Interessenten offen und verfügt zudem über eine ausgezeichnete Küche in einem sehenswerten Restaurant.

Einen Besuch wert ist auch das „Regenbogenhaus“, das Verwaltungsgebäude der Rosenthal AG. An der Fassade haben neben Otto Piene, der die großen farbigen Bögen entwarf, die Künstler Friedensreich Hundertwasser und Marcello Morandini mitgewirkt.

Auch Rosenthal konnte von den jüngsten Entwicklungen der „Globalisierung“ nicht unberührt bleiben. In dem irischen Weltkonzern Wedgewood-Waterford hat das Unternehmen aber einen verlässlichen und starken Partner für seine künftigen Aktivitäten gefunden.

Strukturwandel

Diese gedrängte Geschichte der zwei wohl bekanntesten Porzellanfirmen aus dem Fichtelgebirge soll als Beispiel für viele andere Unternehmen dieses Raumes stehen. So manches ließe sich noch erzählen von Aufstieg und Fall anderer Unternehmerpersönlichkeiten der feinkeramischen Branche wie etwa von Jacob Zeidler, den Rosenthal übernommen hat, von Franz Heinrich, dessen Firma als letztes Privatunternehmen bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts Bestand hatte, dann aber dem saarländischen Konzern Villeroy&Boch einverleibt wurde, oder auch von Barbara Flügel, die engagiert mit ihrem Porzellanatelier den Zeitläuften trotzt und sich auch schon mal über Kundenwünsche zugunsten eigener Gestaltungsideen hinweg setzt.

Spurlos gingen die Ereignisse zum Ausklang des vergangenen Jahrhunderts nicht am wichtigsten Industriezweig des Fichtelgebirges vorbei. So manche Firma hat ihren Grundsatz, keinen Werksverkauf zuzulassen, aufgegeben und verkauft 2. Wahl Geschirre direkt ab Fabrik.

Neue Techniken wie das Trockenpressverfahren haben Eingang in die Porzellanindustrie gefunden, wobei allerdings manchmal die Frage erlaubt sein muss, ob es sich bei den Produkten tatsächlich noch um Porzellan oder schon ganz andere Werkstoffe handelt. Als Beispiel dafür mögen die Trägerplatinen für die Chipproduktion gelten, die eigentlich Eisenoxydverbindungen sind. Aber auch die Motorenherstellung mit Keramikteilen und die „Abteilung Gesundheit“ mit medizinischen Hilfen wie künstliche Hüftgelenke u. ä. gehören in diesen Grenzbereich.

Schwer getroffen hat es die Belegschaften der Unternehmen. Der Rationalisierungsdruck ist ungeheuer stark geworden, wer überleben will, muss Personal einsparen. Manche Fertigungsprozesse wurden automatisiert, ganze Geschäftsfelder abgestoßen, an Dritte verkauft. Von ursprünglich einmal gut 15.000 Beschäftigten stehen heute nur noch etwa 3.000 auf den Lohnlisten verschiedener Porzellanbetriebe. Leider waren so einige traditionsreiche Porzellanhersteller und –veredler nicht in der Lage, dem Druck standzuhalten. An ihre glorreiche Zeit erinnern noch die Museen.


Porzellan Trip in Selb

Eine Region lebt durch ihr Thema: Porzellan! Noch heute schlägt hier im Fichtelgebirge und in der benachbarten Oberpfalz das Herz der europäischen und deutschen Porzellanindustrie. Unternehmen wie z.B. Rosenthal zählen zu den führenden Anbietern in der Branche.

Unser Vorschlag für einen Ausflug in die Welt des Porzellans:

  • Besuch in Europas größtem Spezialmuseum für Porzellan, Porzellanikon, Selb, mit Audioguide und Vorführungen
    Jeden Samstag

    persönliche Führung im Porzellanikon, Selb: 10.30 Uhr Treffpunkt im Porzellanikon Selb am Infopoint. Persönliche Führung durch das Museum (ca. 1,5 Stunden). Wir bedanken uns für Ihren Besuch mit kleinem Porzellanpräsent.
  • Fränkischer Mittagsschmaus im Restaurant Altes Brennhaus nach Auswahl
  • Shoppingmöglichkeit für Markenporzellan, Lifestyleartikel und Mode im Rosenthal Outlet Center
  • 5,– € Gutschein sind im Museumseintritt enthalten
  • Kleine Pause im Fabrik Café im Rosenthal Outlet Center bei Kaffee und Kuchen

Gemeinsam Synergien Nutzen

Selber Oberbürgermeister übernimmt Schirmherrschaft für Porzellan-Trip

Ein touristisches Gemeinschaftsprojekt initiiert vom Rosenthal Outlet Center in Selb und gemeinsam mit dem Porzellanikon, Staatliches Museum für Porzellan Hohenberg a. d. Eger /Selb entwickelt, soll grenzüberschreitend Besucher begeistern und in die Region locken. Der „Porzellan-Trip“ umfasst eine Tagestour mit einem Besuch im Porzellanikon, ein Mittagessen im Museumsrestaurant „Altes Brennhaus“ und einen Stopp im Rosenthal Outlet Center mit anschließender Kaffeepause im „Fabrik-Café“. Eine besondere Attraktion ist die persönliche Führung jeden Samstag um 10.30 Uhr im Porzellanikon Selb.

Den Organisatoren geht es dabei vor allem darum, die Region mit ihrem einzigartigen Thema Porzellan stärker überregional zu etablieren und neue Besuchergruppen zu erschließen. Ein ansprechend gestalteter Flyer wird weitflächig in den Hotels der Region, Verlagen und in den Rosenthal Outlets verteilt. Darüber hinaus wird das Konzept auf der Sommerlounge des Fördervereins „Lebens- u. Wirtschaftsraum Fichtelgebirge e.V.“ am 6. August nochmals detailliert vorgestellt. Schirmherr der Initiative ist der Selber Oberbürgermeister Ulrich Pötzsch.

„Ich freue mich sehr, dass wir mit dieser gemeinsamen Initiative, die ich gern als Schirmherr unterstütze, neue Wege finden, um themenspezifischen Tourismus anzubieten und die Einzigartigkeit der Stadt Selb mit Blick auf das Thema Porzellan stärker herauszustellen. Selb als Kulturdestination weiter zu stärken ist das Ziel unserer Zusammenarbeit,“ erklärte Ulrich Pötzsch.

Das Porzellanikon versteht sich als lebendiges Museum. Selbst Hand anlegen und hautnah den Werkstoff erleben, fasziniert jeden Besucher. „Unsere Gäste sind überrascht, wenn Sie erfahren, mit welchem Aufwand die Herstellung von Porzellan von den Rohstoffen bis zum fertig dekorierten Stück verbunden ist“, berichtet Wilhelm Siemen, Direktor des Porzellanikons. „Porzellan ist ein interessantes touristisches Thema, in dem noch viel Potential steckt. Daher würden wir uns wünschen, wenn weitere Unternehmen eine derartige Initiative entwickeln würden, an der wir uns gerne im Rahmen unserer Möglichkeiten beteiligen.“

Das Rosenthal Outlet Center bietet auf über 4.000 Quadratmetern im authentischen Ambiente einer ehemaligen Porzellanfabrik mit verbliebenen Tunnelöfen und originalen Arbeitsplätzen die Vielfalt, Faszination und Qualität der gesamten Rosenthal Markenwelt, zu der neben der gleichnamigen Marke auch Rosenthal meets Versace, Hutschenreuther, Thomas, Arzberg, Sambonet und Paderno gehören.

Porzellanikon

Wer heutzutage etwas über Porzellan erfahren möchte, kommt am Porzellanikon, Staatliches Museum für Porzellan, Hohenberg a. d. Eger / Selb nicht vorbei. Alles ist authentisch. In Livevorführungen wird den Besuchern spielerisch die Herstellung und Geschichte des Weißen Goldes vermittelt. Gelungene Szenographien und audiovisuelle Medien laden zum Staunen und Mehr-Erfahren ein. Lifestyle, Kunst und Design in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – das Porzellanikon erfindet sich immer wieder neu.

Restaurant Altes Brennhaus

Was wäre ein Besuch in einem Porzellanmuseum ohne anschließenden kulinarischen Genuss? Das Restaurant & Café, welches sich nahtlos an das staatliche Museum angliedert, bietet in besonders stilvollem Ambiente des Industriemuseums viele Möglichkeiten an. Mit internationaler, selbstverständlich aber auch fränkischer Küche, verwöhnt der Chefkoch persönlich seine Gäste.

Rosenthal Outlet Center

Bei einem ausgedehnten Shoppingbummel, etwa im über 4.000 Quadratmeter großen Rosenthal Outlet Center in Selb, können die Besucher im authentischen Ambiente einer ehemaligen Porzellanfabrik mit verbliebenen Tunnelöfen und originalen Arbeitsplätzen, die Vielfalt, Faszination und Qualität der Rosenthal Markenwelt, zu der neben der gleichnamigen Marke auch Rosenthal meets Versace, Hutschenreuther, Thomas, Arzberg und Sambonet gehören, erleben. Auch andere Marken haben sich angesiedelt. So findet man WMF, Vossen, Kunert & Hudson, Bassetti, Lambert, MAC und Trigema.

Fabrik Café

Entspannung pur! Für eine kleine Pause bietet sich das Fabrik Café im Rosenthal Outlet Center an. Auf der Sonnenterrasse bei einem Glas Prosecco und einem kleinen Snack lässt es sich nach dem Shoppen herrlich entspannen.

Porzellanikon in Selb

Die Museen

Lust auf Porzellan? Oder neugierig auf das erste Industriemuseum Bayerns? Interessiert an High Tech? Oder ein Fan deutscher Tisch- und Wohnkultur? – In jedem Falle sind Sie bei uns richtig! Die Stärke des Porzellanikons ist seine Vielfalt – und damit sind wir einzigartig in Europa. Und außerdem mit 9 000 qm kontinentweit das größte Spezialmuseum für Porzellan.

Gezeigt wird nicht nur was - seit der erfolgreichen Nacherfindung des Porzellans in Europa vor 300 Jahren - im deutschsprachigen Raum manufakturell und industriell produziert wurde, sondern auch wie und unter welchen Bedingungen. Außerdem der gesamte Bereich der so genannten Technischen Keramik. Schließlich beherbergt das Porzellanikon das Rosenthal Museum.

Das alles im Herzen der heute immer noch bedeutendsten Porzellanregion Europas, in Oberfranken, in traditionsreichen Gebäuden, die stellvertretend für den deutschen Porzellan-Adel stehen.

Vier Museen, zwei Standorte, ein Thema: Porzellan!

Porzellanikon Selb - die Architektur



Das Porzellanikon Selb befindet sich in einer 1969 stillgelegten ehemaligen Rosenthal-Fabrik. Gut 9000 qm des umgenutzten Industriestandortes beherbergen heute drei verschiedene Museen:

  •     das Europäische IndustrieMuseum für Porzellan
  •     das Rosenthal Museum
  •     und das Europäische Museum für Technische Keramik


1866 von Jacob Zeidler gegründet und direkt an der noch heute  genutzten Eisenbahnlinie Hof-Asch gelegen, ging das Unternehmen 1917 an Philipp Rosenthal, der die Firma zur Blüte brachte, wie nach ihm sein visionärer Sohn. Seit den 70er Jahren stand das Haus leer, wurde jedoch mit Beginn der 90er Jahre als Industriedenkmal nach neuesten Gesichtspunkten der Denkmalpflege  original restauriert. Das erste Industriemuseum Bayerns atmet den spröden Charme der ehemaligen Fabrik aus dem 19. Jahrhundert.

Mit mächtigen Schloten und dem burgartig-verschachtelten Gebäudeensemble wirkt die Anlage wie ein wehrhaftes Labyrinth. Eine architektonische Besonderheit im Porzellanikon ist, dass von den zehn ehemals vorhandenen, mächtigen Rundöfen noch sechs völlig erhalten und begehbar sind. Der Rundofen, im Erdgeschoss befeuert, zog sich mit übereinander liegenden Brennräumen über mehrere Etagen der Fabrikgebäude, von denen aus er bestückt wurde.

Das Porzellanikon erschließt sich heute über den ehemaligen Scherbenhaufen. Wo sich einst Porzellanscherben türmten, hat man ein ambitioniertes Renaturierungsprojekt gestartet. Begehbar ist der Wald umsäumte ehemalige Löschteich mit historischem Pumpenhäuschen, sichtbar blieb der Werksanschluss an die Eisenbahnlinie - ein kleines Freilichtmuseum mit lebendigen Akzenten, die Schlaglichter auf  die Unternehmensstrukturen von einst werfen. 

Die Begründer eines europäischen Porzellanstils


Formen und Dekore des ersten europäischen Porzellans orientieren sich anfangs sehr an ostasiatischen Vorbildern. Durch den sächsischen Hofsilberschmied Johann Jacob Irminger bereichern bald auch barocke Gefäßformen und plastische Zierelemente die früheste Schaffensphase. Zu Lebzeiten Böttgers (gest. 1719) kommen zudem Dekorationen mit Lack- und Emaillefarben, Goldmalereien und einbrennbare Überglasurfarben in Anlehnung an ostasiatische Vorbilder zur Anwendung.

Erst mit dem Maler Johann Gregor Höroldt, bis 1719 an der Wiener Manufaktur tätig, beginnt 1720 die bis 1735 anhaltende sogenannte "malerische Periode" der Meißner Manufaktur. Er entwickelt Schmelzfarben, die detailgenaue, feinste Malerei erlauben. Neben den nach Höroldt benannten Chinoiserien finden sich ab jetzt Kauffahrteiszenen, Hafen- und Watteauszenen, indianische Blumen-, Früchte- und Landschaftsmalereien.

1731 tritt der Hofbildhauer Johann Joachim Kaendler in den Dienst der Manufaktur, zu deren Modellmeister er 1733 ernannt wird. Bis dahin arbeitet er zusammen mit Johann Gottlieb Kirchner an der Gestaltung von Großplastiken. Mit Kaendler beginnt die bis 1763 anhaltende "plastische Periode" der Meißner Manufaktur. Die Gefäßkörper erfahren durch ihn die plastische Durchbildung mit Stilelementen von Barock und Rokoko.

Auch für die europäische Porzellanplastik, ursprünglich als Tafelzier gedacht, gilt Kaendler als Begründer. Dargestellt werden höfische Szenen, mythologische Themen, Allegorien, Akteure der „Commedia dell’ Arte“, Schäferidyllen, Handwerker, Straßenhändler, etc. Neben Meißen spielt Nymphenburg mit den von Bustelli geschaffenen heiteren Rokokofigurinen eine Rolle, in England die Manufaktur von Chelsea mit den „Chelsea-Toys“.

In Spanien werden in der Manufaktur Buonretiro und in Italien in Doccia zeitgleich hervorragende Einzelfiguren und Gruppenplastiken modelliert. Die führende Rolle Meißens in Europa kann in der Tat aber erst der Siebenjährige Krieg (1756-63) brechen. Die Manufaktur wird schwer beschädigt, durch Friedrich den Großen verpachtet. Viele erfahrene Mitarbeiter wandern ab.

Europäisches Industrie Museum für Porzellan in Selb

Europäisches IndustrieMuseum für Porzellan

Wissen Sie, wie aus unscheinbaren Kaolinbrocken das „weiße Gold“ wird? Haben Sie schon einmal zwischen übermannshohen, rumpelnden Glasurmühlen gestanden oder vor einer laufenden Dampfmaschine, die eine ganze Fabrik mit Strom belieferte?

Was heute manchen Freund nostalgischer Maschinentechnik träumerisch stimmen mag, stellte einst härteste Arbeitsbedingungen dar. Das Museum ist ein Museum der Arbeits- und Sozialgeschichte, ein Technikmuseum, ein Museum über die Porzellanherstellung.

In den Räumen wird von der Masseaufbereitung über den Gipsformenbau bis hin zur Weißfertigung und der Dekoration nachvollziehbar, wie Porzellangeschirr entstand und entsteht - eine Art Betriebsführung, die sowohl Mensch als auch Maschine im Fokus hat.

Das wird durch entsprechende Vorführungen lebendig, aber auch durch eine moderne multimediale Ausstattung, wie Touchscreens, Monitore etc. Wie die realen Arbeitsbedingungen der Porzelliner in Europa waren und sind, wird nachvollziehbar. Ehrgeiz ist es, die Abläufe tatsächlich mit originalen Maschinen aus verschiedenen europäischen Fabriken zu animieren und zu demonstrieren.

Zu der Ausstattung gehört neben Werkplätzen und der Produktionsanlage der gesamte Komplex der Energiegewinnung. Zwei Dampfmaschinen mit Trafostation, das Kesselhaus mit eigenem Brunnen sowie die Werkzeuge, die zur Bedienung erforderlich waren, sind vorhanden und funktionstüchtig: Die Dampfmaschine läuft täglich.

Das Haus ist Ankerpunkt der European Route of Industrial Heritage.

Vier Museen, zwei Standorte, ein Thema: Porzellan!

Anschrift:
Europäisches Industrie Museum für Porzellan
Werner Schürer-Platz 1
91800  Selb
Fon                 0 92 87.91 800-0
Fax                 0 92 87.91 800-30
E-Mail             info(at)porzellanikon.org

Europäisches Museum für Technische Keramik in Selb

Europäisches Museum für Technische Keramik in Selb

Dass ein höchst ertragreicher und zukunftsträchtiger Zweig der Branche mittlerweile im Bereich der Technik liegt, zeigt das seit 2005 dem Fabrikkomplex eingegliederte Europäische Museum für Technische Keramik.

Wenig bekannt, wird in unserem Haus sichtbar, was zumeist den Blicken verborgen bleibt: In Mechatronik und Raumfahrt, High Tech und Medizin, Chemie und Hochspannungstechnik – nirgendwo ist das Material verzichtbar. Egal ob als Dichtungsring in der Kaffeemaschine, als Bremsscheibe im ICE, ob als Knie- oder Knöchelgelenk im eigenen Körper, als Platine im Computer, als Fadenführer in der Textilindustrie, als Belag auf Sprungschanzen, als Hitzeschild am Space Shuttle – überall findet man Keramik – und besonders da, wo man es  gar nicht vermutet.

Wie das funktioniert und tatsächlich aussieht, zeigt das Museum an vielen interaktiven Stationen und mittels einer hervorragenden didaktischen Aufarbeitung. So wird die Bandbreite der Alleskönner Porzellan und Oxid-Keramik vor Augen geführt, wesentliche Bestandteile unserer modernen Welt.

Vier Museen, zwei Standorte, ein Thema: Porzellan!

Anschrift:
Europäisches Museum für Technische Keramik
Werner Schürer-Platz 1
91800  Selb
Fon                 0 92 87.91 800-0
Fax                 0 92 87.91 800-30
E-Mail             info(at)porzellanikon.org

Rosenthal Museum in Selb

Rosenthal Museum in Selb

Bis nach Tokyo und New York bekommt man glänzende Augen, wenn man den Namen hört - Rosenthal. Ein Synonym für Luxus und höchste Tischkultur. Aufregend genug: Im Rosenthal Museum - seit 2004 Bestandteil des Porzellanikon - ist man umgeben von der legendären Produktpalette und vielen Klassikern aus der mehr als 125-jährigen Firmengeschichte.

All das im entkernten alten Brennhaus der ehemaligen Porzellanfabrik, ein Ort des Wirkens der Weltmarke vor deren Umzug in das neue Werk in Selb. Highlights sind sicherlich die Koproduktionen mit namhaften Künstlerinnen und Künstlern der Moderne unter der Ägide Philip Rosenthals: Walter Gropius, Salvador Dalí, Niki de St Phalle, Günther Uecker – eine kleine Auswahl derer, die sich von Rosenthal für Porzellan begeistern ließen und nach Selb kamen.

Das Museum führt die erfolgreiche Melange von Kunst, Design und Lifestyle vor Augen, mit der Rosenthal seit Jahrzehnten Furore macht. Der imposante dreistöckige Rundofen ist dabei Zentrum des nach Brand und Verfall wieder aufgebauten Gebäudeteils. Er steht als einziger der sechs noch vorhandenen Öfen völlig frei, sein Inneres selbst ist Teil der Ausstellungsfläche.

Vier Museen, zwei Standorte, ein Thema: Porzellan!

Anschrift:
Rosenthal Museum
Werner Schürer-Platz 1
91800  Selb
Fon                 0 92 87.91 800-0
Fax                 0 92 87.91 800-30
E-Mail             info(at)porzellanikon.org

Porzellan 1710 - 2010 - ein Thema vereint Europa


Der Traum von einem „Königreich aus Porzellan“ nahm seinen Anfang im Jahre 1710 auf der Albrechtsburg in Meissen. Von hier aus trat das „Weiße Gold“ binnen kürzester Zeit seinen Siegeszug in Europa an. In rascher Folge gründeten die Regenten, so zum Beispiel die Manufakturen Wien (1718), Venedig (1720),  Doccia (1735), Capodimonte (1743), Chelsea (1745), Vincennes (1745),  Höchst (1746), Fürstenberg und Nymphenburg (1747), Tournai (1750), St. Petersburg (1750), Berlin (1751), Frankenthal (1755), Sèvres (1756), Ludwigsburg (1758), Madrid (1760), Lissabon (1773), Weesp (1762), Zürich (1763), Moskau (1767), Den Haag (1776), Brüssel (1786), Kopenhagen (1763). Es entstanden in der Frühzeit der Porzellanfertigung höchst kostbare Service, Zierartikel und Figuren.

Sie befriedigten zunächst die Sammelleidenschaft der Regenten, dienten der Repräsentation und eigneten sich hervorragend für Staatsgeschenke oder als Mitgiften. Der zunehmende Einfluss des Merkantilismus und die Aussicht, mit den Manufakturen die Staatskassen füllen zu können, kam als Kriterium der Gründung hinzu.

Das Porzellan, seit Ende des 18. Jahrhunderts allmählich auch in bürgerlichen Fabriken gefertigt, wird zum Spiegelbild der europäischen Kultur. Im Porzellan finden sich alle Strömungen des Stilwandels im Bereich Kunst- und Kunstgewerbe.

Die Erfolgsgeschichte des Porzellans in Europa, die 1710 begann, setzt sich bis in die Gegenwart fort und lässt auch in der Zukunft noch so manche spannende Entwicklung erwarten...

Der Ursprung - "Blanc de Chine" in Europa


Bereits seit dem siebten Jahrhundert n. Chr. wird in China Hartporzellan produziert. Zentrum ist die Stadt Ching-tê-chen. Die Manufakturen stehen unter kaiserlichem Schutz. Immer wieder gelangt Porzellan im Mittelalter durch die Venezianer auf Handelswegen über Kairo nach Europa. Es ist Marco Polo, der als erster 1298 in seinen Reiseberichten „Milione“ von der Porzellanherstellung in China berichtet.

Die Entdeckung des Seeweges nach Indien durch den Portugiesen Vasco da Gama 1498 ermöglicht den Import von Porzellan auf dem Wasserweg. Lissabon entwickelt sich zunächst zum Haupthandelsplatz für Porzellan in Europa. Mit Beginn des 17. Jahrhunderts wird Holland nach Gründung der Niederländischen Ostindienkompagnie im Jahre 1602 zum Hauptumschlagplatz für Porzellan. Zur gleichen Zeit gelingt es in Japan Porzellan zu produzieren. Es findet im wesentlichen an den europäischen Höfen und bei wenigen wohlhabenden Kaufleuten Abnahme. Dabei wird auch auf Bestellung in Asien im europäischen Stil dekoriert.

Als Ersatz für das nahezu unerschwingliche chinesische Porzellan wird in Florenz zwischen 1575 und 1587 erstmals das sogen. „Medici-Porzellan“ erfunden, und schon 1653 gelingt es in Delft Porzellan nachzuahmen. Auch in Frankreich unternimmt man kurz darauf Versuche. 1670 erzeugt man in Rouen, 1683 in St. Cloud Frittenporzellan.

Trotz aller Anstrengungen scheitert Europa aber im 17. Jahrhundert an der Nacherfindung des Hartporzellans. Es fehlte ein entscheidender Zusatz: das Kaolin. 

Der Traum vom Porzellan - "Weißes Gold" aus Europa


Bereits die Kunst- und Wunderkammern des 16. Jahrhunderts enthalten als „Kuriositäten“ asiatisches Porzellan. Ein Jahrhundert später entstehen in Anlehnung an islamische Vorbilder Porzellanhäuser wie das „Trianon de porcelain“ in Versailles.

Die Porzellankabinette der europäischen Regenten des 18. Jahrhunderts sind Symbole der ästhetischen und künstlerischen Wertschätzung für den Werkstoff. Vom damaligen „Porzellanfieber“ besonders „befallen“ ist August der Starke, Kurfürst von Sachsen und König von Polen. Seine Sammelleidenschaft entzieht dem Staatshaushalt so enorme finanzielle Mittel, dass man händeringend nach Abhilfe sucht. Es entsteht der Gedanke in Sachsen Porzellan zu produzieren, auf diesem Wege die Staatskasse zu schonen und dem Land möglichst lukrative Einnahmen zu schaffen.

In dem weit gereisten Mathematiker und Physiker Ehrenfried Walter von Tschirnhaus und dem Alchimisten und Apothekergesellen Johann Friedrich Böttger sieht man Chancen das Geheimnis um das „Arkanum“ - die Zusammensetzung der Masse - und des Brandes lüften zu können. In einem Laboratorium auf der Venusbastei in Dresden gelingt es den beiden nach vielerlei vergeblichen Versuchen 1708 einen weißen Scherben herzustellen.

Nach dem Tode von Tschirnhaus kommt eine durchscheinende Glasur hinzu. Es ist der 1.1.1710, als die erste europäische Porzellanmanufaktur, die Hartporzellan herstellen konnte, mit königlichem Privileg in Dresden gegründet wird.

Noch im gleichen Jahr verlegt August der Starke den Betrieb auf die Albrechtsburg in Meißen. Der Grundstein für die Geschichte des europäischen Hartporzellans ist gelegt. 

Das Biedermeier - eine deutsche Angelegenheit


Nach dem Ende der großen, durch die Regentschaft Napoleons heraufbeschworenen Kriege und Schlachten und der Neuordnung Europas durch den Wiener Kongreß 1815, beginnt ein Umbruch der Gesellschaft.

Das Bürgertum gewinnt durch die Industrialisierung an Einfluss und erschafft sich eine eigenständige Kultur. Neben der Propagierung der Häuslichkeit und Bescheidenheit strebt man gleichzeitig nach Bildung, interessiert sich für Wissenschaft, Kunst und Literatur.

Durch neue Formgebungs- und Dekorationsverfahren wird Porzellan für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich. Die Nachfrage nach umfangreichen Servicen nimmt ab, die nach einzelnen Zier- und Gebrauchsgeräten zu. Es entsteht eine neue Wohnkultur, zu der die Vitrine gehört. In ihr werden Erinnerungs- und Andenkentassen, die sich formal an der klassizistischen Walzenform bzw. am Empire orientieren, aufbewahrt und präsentiert.

Neben den Manufakturen, die mit dem Aufkommen bürgerlicher Manufakturen insbesondere in Thüringen und Böhmen ums Überleben kämpfen, gewinnen die Hausmaler wie Anton Kothgasser an Bedeutung. Sie dekorieren die in den Fabriken erzeugten Weißporzellane.

Als Motive finden sich Landschaftsdarstellungen, Kopien von Gemälden, Sinnsprüche, Stadtansichten oder Porträts bevorzugt auf Tassen und Vasen. Insbesondere die Porzellane der böhmischen Fabriken in Elbogen, Schlaggenwald, Klösterle und Pirkenhammer finden europaweit große Anerkennung.

Unter den Manufakturen ist es die Königliche Porzellanmanufaktur Berlin, die 1829 mit der Erfindung des Lithophanie-Porzellans mit durchscheinenden Motiven für Lampenglocken, Lichtschirme und Fensterbilder Aufsehen erregt.

Großer Wertschätzung erfreuen sich auch die Biskuitminiaturen nach Marmorarbeiten des in Rom lebenden Bildhauers Bertel Thorvaldsen. Sie werden ab 1821 an der Königlichen Porzellanmanufaktur Kopenhagen produziert und finden beim wohlhabenden Bildungsbürgertum großen Absatz.

Der Stile viele - der Historismus


Die Zeit zwischen 1840 und 1900 bringt mit der fortschreitenden Industrialisierung auch die zunehmende Verbürgerlichung der Gesellschaft.

Das nationale Empfinden wächst und damit das Interesse an der eigenen kulturellen Vergangenheit. National- und Kunstgewerbemuseen entstehen in ganz Europa. Auch die Porzellane des 19. Jahrhunderts greifen auf das Formenrepertoire vergangener Stile, Romanik, Gotik, Renaissance, Barock oder Rokoko, zurück. Entweder werden sie bis ins Detail kopiert oder miteinander zitiert.

Die Neugotik, in England als typisch nationale Kunst verstanden, findet sich um 1840 bei Charles Meigh & Son in Hanley, um 1833 bereits in Meißen in Kombination mit üppiger Glanzvergoldung.

Führend im Kopieren von Wien, Meißen, Sèvres, Capodimonte und Ostasien wird ab 1830 das von Mor Fischrew in Herend gegründete Unternehmen. Demselben Credo verschreibt sich 1824 in Oporto, Portugal, die Manufaktur Vista Alegre mit der Herstellung von Servicen im Stile von „Vieux Sèvres“. Ginori in Doccia und Fürstenberg kopieren Capodimonte-Porzellane im Stile der Renaissance.

In England wird das Parian-Porzellan, das Marmor nahezu perfekt imitiert, erfunden.

Eine neue Richtung erhält der Historismus durch Jacob Petit, der ab 1840 in Paris Vasen und Zierartikel mit Dekorationen im Stile von Gotik, Rokoko und Orientalischer Kunst in großer Menge herstellt. Als Mitte des 19. Jahrhunderts die meisten technischen Herausforderungen im Bereich Porzellandekoration, Formgebung, Massezusammensetzung und Brenntechnik gelöst sind, beginnt  die „tour de force“ der europäischen Manufakturen und Fabriken. Größe und Dekorationsmöglichkeiten der Porzellane scheinen nahezu unbegrenzt. Marc Louis Solon entwickelt in Frankreich die Technik der pâte-sur-pâte-Malerei, des Malens mit Schlicker auf dem farbigen Scherben.

England begeistert mit Parian-Porzellan, das durch einen durchscheinenden, leicht gelblichen Schimmer antike Marmorstatuetten nahezu makellos nachahmt.

In Limoges gelingt es Porzellan mit Cloisonnée-Effekten (Glaseinschlüssen) herzustellen. In den dortigen Fabriken werden vielteilige Service mit mehrteiligen, imposanten Tafelaufsätzen gefertigt.

St. Petersburg liefert in dieser Zeit aufwendigst bemalte Service nach Kopien berühmter Gemälde oder Fresken an den Zarenhof.

Von Japan inspiriert - das Art Nouveau


Mit der politischen Öffnung Japans nach 1860 ging auch die Verbreitung der japanischen Kultur in Europa einher.

Insbesondere 1862 bei der Internationalen Ausstellung in London beeindruckt die Darstellung der Natur in der alten japanischen Kunst. Es sind vor allem die Holzschnitte Hokusais, die einem neuen Stil den Weg bahnen. Hinzu kommt aus England, ausgehend von William Morris und John Ruskin, der Einfluß des „Arts and crafts Movements“, einer Antibewegung gegen die bis dato gängige Praxis der Nachahmung historisch überlieferter Vorbilder. Der neue Stil, der alle Lebensbereiche umfassen sollte, lässt in ganz Europa Künstlervereinigungen, u.a. in Darmstadt, Wien, Dresden, München und Brüssel entstehen.

In Frankreich erhält die neue Kunstgattung ihren Namen durch die 1871 durch Siegfried Bing in Paris gegründete Galerie „Art nouveau“. In Deutschland wird die seit 1896 herausgegebene Zeitschrift „Die Jugend“ Namensgeber.

Das Porzellan charakterisiert nun die Einheit von Form und Dekor und die Belebung der Form durch vegetabile, traumhaft bewegte Linie. Der „Japonismus“, der zuerst in Frankreich aufgenommen wird, bildet den Ausgangspunkt der neuen Bewegung. Félix Bracquemond entwirft für Haviland in Limoges das dem Impressionismus verhaftete „Service Rousseau“.

Im Bereich der Gefäßgestaltung dominieren nun große, freie Flächen, die bei der KPM Berlin Hermann Seger hervorragend zur Umsetzung seiner Ochsenblut-, Lauf- und Kristallglasuren dienen.

Neue Vasenformen entstehen insbesondere in der Manufaktur von Sèvres. Dort greift man unterschiedlichste Glasuren auf, dekoriert aufwendig mit pâte-sur-pâte-Malerei. 1902 entwirft Léonard Agathon mit dem „Schärpenspiel“ für Sèvres eine Momentaufnahme des Ausdruckstanzes in Biskuitporzellan. Stilbildend wird ab 1885 die Kgl. Porzellanmanufaktur Kopenhagen unter Arnold Krog. Man entwickelt pastellfarbene Unterglasurmalereien, geflammte Farb- und Kristallglasuren und figurative Plastiken.

Die Motive werden der europäischen Fauna und Flora entlehnt, aber im Sinne der japanischen Kunsttheorie interpretiert. Das gleiche Credo vertritt Bing & Gröndahl, Kopenhagen. In Lidköping, Schweden, entstehen unter Alf Wallander ab 1895 Zierartikel mit schwarzen Laufglasuren, die diffuse, florale Dekorationen umrahmen. Vielfach geht die Dekoration auch vom Malerischen ins Plastische über.

Basierend auf einer stark frittenhaltigen Masse, werden in Rozenburg, Niederlande, zwischen 1899 und 1913   einzigartige, hauchdünne Zierartikel in freien, vegetabilen Formen produziert. Sie kommen als Eierschalenporzellan auf den Markt.

Nach der Weltausstellung von 1900 greifen alle Manufakturen, wie Meißen mit van de Velde oder Nymphenburg mit Wackerle, den neuen, etablierten Stil auf. Die Wiener Sezession setzt mit Josef Hoffmann für die Manufaktur Augarten, Koloman Moser und Jutta Sika einen stilisierten Akzent zu den freien Formen des Jugendstils. Gleiches gilt für die von Peter Behrens für Bauscher und von der Darmstädter Künstlerkolonie für Rosenthal geschaffenen Service.

Lebensfreude und Wirtschaftskrise - das Art Déco


Bereits 1901 gründen führende französische Künstler die „Societé des Artistes Décorateurs“. 

Die Umsetzung des dort begründeten Gedankengutes wird 1925 in einer in Paris unter dem Namen „Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes“ durchgeführten Ausstellung präsentiert. In der Folgezeit erhält der ab diesem Zeitpunkt vorherrschende Stil den Titel „Art déco“.

Verschiedene Anregungen der Moderne führen in den 1920er Jahren zur Ausprägung neuer Formen und Dekore. Zum Zentrum der Bewegung entwickelt sich binnen kürzester Zeit Paris. Es sind Modeschöpfer wie Paul Poiret, die stilbildend werden. In Sèvres entstehen unter dem Interior-Designer Jacques-Emil Ruhlmann oder Félix Aubert neue Vasenformen mit stilisierten, flächigen Dekorationen.

Charakteristisch für Service und Zierartikel sind stilisierte und flächige Darstellungen von floralen und organischen Motiven. Hinzu kommen leuchtende Farben, getreppte und mitunter übersteigerte bis affektierte Formen. In Limoges entstehen Dejeuners in stilisierten Tierformen, in Ungarn finden umrissartig stilisierte, landestypische Szenen auf traditionellen Gefäßformen Anwendung. Während die Farbgebung des Art déco-Porzellans von der Künstlergruppe der Fauves inspiriert ist, nähert sich die figurative Plastik den eckigen, kantigen Formen des Kubismus.

Herausragend wird die KPM Berlin mit den vom Expressionismus beeinflußten Plastiken von Ludwig Gies oder Gerhard Schliepstein. Die Manufaktur Meißen überzeugt mit kräftig bunt akzentuierten bzw. weißen, glasierten Plastiken von Paul Scheurich, Paul Börner oder Max Esser. Hutschenreuther und Rosenthal setzen vielfach weiß-gold Kontraste im Bereich der figurativen Plastik ein.

In Ungarn und Italien werden dynamische Figuren effektvoll mit irisierendem Lüster-Vollfond in Szene gesetzt. Für deutsche und französische Porzellanfabriken bilden Tanz und Varieté, aber auch Pierrots und Frauen in aktueller Mode eine schier unerschöpfliche thematische Quelle. Die 1925 in Lomonossow umbenannte Kaiserliche Manufaktur St. Petersburg fertigt in Zusammenarbeit mit Künstlern wie Kasimir Malewitsch oder Nikolai Suetin Porzellan, das den Einfluß des Suprematismus und Kubismus zeigt.

Den sogenannten Agitationsporzellanen, Arbeiter- und Funktionärsdarstellungen und Tellern mit politischen Parolen, werden Bauern, Soldaten und Matrosen zum Beispiel durch Natalia Danko zur Seite gestellt.

Portugiesische Künstler gestalten im Art déco Fliesen mit stark farbigen, geometrisch-flächigen Ornamenten in Endlosrapporten.

Form follows function? - Vom Bauhaus zum Design


Bereits mit dem Ersten Weltkrieg werden Stimmen laut nach neuen zeitgemäßen und „funktionalen“ Formen.

1917 gestaltet Wilhelm Kage für Gustavsberg in Schweden ein „Service für Arbeiter“. Man bezieht sich auf den Leitspruch des amerikanischen Architekten Louis Sullivan „form follows function“. Das 1919 in Deutschland gegründete „Bauhaus“ und mit ihm Walter Gropius wird schließlich zur Keimzelle des Funktionalismus.

Ehemalige Bauhaus-Mitarbeiter wie Marguerite Friedländer (Hallesche Form), Trude Petri (Urbino), Hermann Gretsch (1382) und Wolfgang von Wersin entwerfen ab 1929 für die KPM Berlin, Nymphenburg und die Porzellanfabrik Arzberg Service im Stile der „Neuen Sachlichkeit“. Diese Art der Produktgestaltung ist aber durchaus keine rein deutsche Angelegenheit. Sie findet in ganz Europa und den USA als „Internationaler Stil“ Niederschlag.

Nach dem Zweiten Weltkrieg sind es 1957 mit der Gründung des „International Council of Societies of Industrial Design“ die Vereinigten Staaten, die die Führung im Produktdesign übernehmen. Richard Latham und Raymond Loewy entwerfen die „Form 2000“ für die Rosenthal Studio Linie. Zwei Jahre später gründen deutsche Jungdesigner, unter anderem Hans Theo Bauman, den „VDID“ (Verband deutscher Industriedesigner).

In den 1960er und 1970er Jahren dominiert das Skandinavische Design mit aus Zylinder oder Kugel entwickelten Formen. In Finnland sind es Kaj Frankh, Tappio Wirkkala und Timo Sarpaneva, in Schweden Stig Lindberg, in Frankreich Paul Robert und Roger Tallon und in Deutschland Luigi Colani die neue, der Natur entlehnte Gestaltungsprinzipien, Dekore und Farben in die Porzellangestaltung einfließen lassen. Ihnen folgen in der Gegenwart Designer wie der Engländer Jasper Morrison nach.

Daneben können sich aber immer noch die dem Bauhaus verpflichteten Designer wie Wilhelm Wagenfeld oder Heinrich Löffelhardt behaupten. Eine Hinwendung zum Architektonischen erfährt das Design in den 1980er Jahren mit Marcello Morandini und Ambrogio Pozzi. Die Gruppe Memphis um ihren Begründer Ettore Sottsass kreiert eine futuristisch-verspielte Gestaltungsform. Philippe Starck und seine Porzellan-Kreationen für Alessi finden hier ihre Wurzeln. Zum Ende der 1980er entstehen erstmals Dekore und Formen durch Modeschöpfer, wie Karl Lagerfeld, Pierre Cardin oder Paloma Picasso.

In Frankreich sind es Ende der 1990er Jahre Christian Tortu, Andrée Putman, Jean-Charles de Castelbajac, die diese Tradition in Limoges fortsetzen. In Europa entstehen „home collections“ von Versace, Armani, Hermès, Joop und vielen anderen. Hinzu kommen an der Wende zum neuen Jahrtausend Kreationen im Materialmix, also in der Kombination von Porzellan mit Metall, Glas und Holz.

Die Gegenwart kennzeichnet die Stilvielfalt und die Erkenntnis, dass gutes Design ein unverzichtbares Qualitätsmerkmal darstellt.

Porzellan und Architektur - Bäder, Fliesen, Ornamente


Porzellan findet sich im häuslichen Bereich nicht nur als Tisch- und Tafelzier oder Dekorationsobjekt, vielmehr ist es seit dem 18. Jahrhundert Teil der Innenraumgestaltung. Man verziert Möbel mit Intarsientäfelchen aus Porzellan oder setzt es zur Ausgestaltung von Räumen im Bereich von Wandpaneelen und Fußböden ein. Spiegel, Lampen, Leuchter und Konsolen ergänzen die Ausstattung der „Porzellankabinette“ und „Porzellanhäuser“ in Schloß Capodimonte, Neapel (1757) oder Buenretiro, Madrid (1770).

Im 19. Jahrhundert sind es großformatige Bauelemente, wie mehrteilige Säulen für den Innenraum oder Friese und Applikationen für den Außenbereich, die insbesondere in Frankreich, Italien und im Saarland gefertigt werden. Für Innenräume finden Ausstattungsgegenstände wie Lampen, Sitzmöbel, Tische und Bänke Eingang in die Wohnwelt. Ob in Thüringen, Sachsen, England oder Frankreich, überall werden diese ehrgeizigen technischen Meisterleistungen hergestellt. Aufwendige Brunnen, stark plastisch verzierte Wasserausläufe und großformatige Becken an zentralen Plätzen sind Repräsentationsobjekte in Palais und bürgerlichen Villen. Insbesondere auf den Weltausstellungen erfreuen sich diese Objekte größter Beliebtheit, zeigen sie doch die hohe Kunst der Porzellanherstellung in Europa.

Auch der Traum vom fließenden Wasser in den eigenen vier Wänden kann im 19. Jahrhundert Wirklichkeit werden. Waschgeschirre, bestehend aus Kanne und Schüssel, Wasserbehälter mit Hahn, Spucknäpfe und Nachttöpfe werden nun abgelöst. Fest eingebaute Waschbecken und Spül-Klosetts bedeuten eine Revolution im Bereich der Hygiene. Sie bilden den Ausgangspunkt einer „Badekultur“. Insbesondere in England versteht man sich auf die Herstellung von Klosetts und Waschbecken in historisierenden Formen. Vertreter mit Musterkoffern, in denen sich Miniaturen befinden, bereisen Europa, Amerika und Russland.

Heute gehört die Ausgestaltung von Badezimmern mit Sanitärporzellan zu den herausragenden Bereichen des Designs. Es entstehen „Badelandschaften“, private „Wellness-Oasen“ mit Duschtasse, freistehender Badewanne und Waschbecken mit „selbstreinigender“ Oberfläche. Wellness-Oasen im Wohnbereich dienen der Inszenierung des eigenen Selbstverständnisses und zur Erholung von Körper und Geist.

Seit den 1970er Jahren setzen international renommierte Designer „das Bad“ in Szene: Luigi Colani, Claesson/Koivisto/Rune, Alessandro Mendini, Andrée Putman, Michael Graves, Iosa Ghini, Roberto Lazzeroni, Matteo Thun und Philippe Starck. 

Shaping the future - Gestaltung für morgen


Viele Fragen stellen sich, wenn es um die Zukunft des Porzellans geht. Die richtigen Antworten darauf werden essentiell sein für die Zukunft der Porzellanbranche in Europa. Bisher behaupten sich neben den traditionsreichen Porzellanmanufakturen am Markt vor allem Marken, die sich durch innovatives Produktmanagement, rationalisierte Fertigung und gutes Design auszeichnen. Sie stellen sich den Herausforderungen und schaffen es, im Wettbewerb mit asiatischen Massenproduzenten mitzuhalten. Diesen Vorsprung in der Gestaltung zu behalten, kommende wichtige Trends zu erkennen und auf Veränderungen rechtzeitig zu reagieren, muss auch weiterhin verstärkt  das Ziel sein. Die Verfolgung dieses Zieles ist angesichts der sich stetig und immer schneller wandelnden Gesellschaft eine echte Herausforderung. Alle am Prozess der Entstehung Beteiligten müssen sich mit diesen Gegebenheiten auseinandersetzen und bereits heute die Ideen von morgen formulieren.

Es sind von jeher die Kreativen an den europäischen Hochschulen für Design und Produktgestaltung, die neue Wege gehen, versuchen entscheidende, zukunftsweisende Impulse zu liefern. Sie sind es, die versuchen, Fragen nach demographischen und globalen Veränderungen zu beantworten.

Auf die Zunahme von Single-Haushalten wird mit Serien reagiert, die individuell zusammengestellt werden können. Sie bedeuten die Abwendung vom klassischen Service. Auch auf die in Umkehrung begriffene Altersstruktur wird u.a. mit der Schaffung von Alters- und behindertengerechten Porzellanen reagiert.

Arrivierte und junge Designer liefern im Hinblick auf die immer deutlicher zu Tage tretenden ökologischen Problemstellungen zum Beispiel Entwürfe für Systemgeschirre im Fast Food-Bereich. Die Lösungen und Ansätze, die europaweit von Lehrenden und Studenten gegeben werden, fallen mitunter überraschend aus. Sie entstehen zumeist im Dialog mit dem Material, der Materialgerechtigkeit und haben ihren Ursprung nicht selten im Überschreiten von formalen Grenzen. Deshalb muten diese Entwürfe oft avantgardistisch oder gar futuristisch an, tragen aber stets den Wunsch zur Veränderung in sich und liefern wichtige neue Impulse.

Neue Formen und Dekore entstehen zudem auch durch die Auseinandersetzung mit der Geschichte und der traditionellen Verwendung des Werkstoffes.

Porzellan ist seit jeher ein robustes, langlebiges Material. Schon zur Zeit der Wiedererfindung in Europa diente es zur Repräsentation nach außen und zur Herausbildung eines ästhetischen Umfeldes. Mit Porzellan lässt sich Individualität ausdrücken. Es kann Ausdruck gesellschaftlicher Position sein und es ist nicht zuletzt Massenprodukt und zugleich Einzelstück mit hohem handwerklichen Anteil.

Von der Dekoration zum freien Werk - Porzellan wird Kunst


Die Porzellanplastik nimmt ihren Ausgang im 18. Jahrhundert zunächst als Teil der Tafelzier. Passend zu den auf den Servicen dargestellten Motiven entstehen Figuren, die zum Beispiel im Bereich der Mythologie, Allegorie oder des höfischen Lebens angesiedelt sind.

Mit Johann Joachim Kaendler „emanzipiert“ sich ab 1731 in Meißen die figürliche Plastik. Sie löst sich aus dem Tafelschmuck-Kontext und wird zum dekorativen, künstlerischen Objekt. Im 18. Jahrhundert sind es in Frankreich Francois Boucher und Etienne Falconet, deren Werke in Sèvres ausgeformt werden. Unter Napoleon Bonaparte entwirft Denis Chaudet lebensgroße Büsten aus Biskuitporzellan, im Klassizismus entstehen in Kopenhagen Biskuitplastiken nach Thorvaldsen. Der Jugendstil begeistert mit Arbeiten von Leonard Agathon für Sèvres, mit Adolf Amberg für die KPM Berlin. Zahlreiche Bildhauer liefern Modelle für deutsche Porzellanfabriken, u.a. für Hutschenreuther und Rosenthal. Ab 1908 sind es die Schwarzburger Werkstätten für Porzellankunst, die unter Max Adolf Pfeiffer die Porzellanplastik erneuern.

Künstler wie Ernst Barlach, Gerhard Marcks, Arthur Storch und Gustav Oppel interpretieren das figürliche Porzellan neu. Die 1930er Jahre bringen für die deutsche Porzellanplastik eher Retrospektives.

Die Niederlande hingegen überraschen mit freien Arbeiten u.a. von Johan van Loon. Neuartig erscheinen in den 1950er Jahren die auf das wesentliche, Lineare, reduzierten Figuren, wie sie in Italien und Deutschland entstehen. Gleichzeitig existiert in Europa aber auch weiterhin die Tendenz zum Traditionellen. In Spanien fertigt Lladró Figuren in Anlehnung an den Kopenhagner Jugendstil.

Bei den europäischen Manufakturen spielt ab 1960 Sèvres mit Jean Arp, Alexander Calder oder später Louise Bourgoise eine führende Rolle. Die Meißner Manufaktur setzt mit den Arbeiten von Peter Strang, Herend mit Imre Schraml bemerkenswerte Akzente. Unter Philip Rosenthal entstehen ab 1964 zunächst Künstlerreliefs, daraus entwickeln sich die „Limitierten Kunstreihen“, mit Werken von Henry Moore, Lucio Fontana, HAP Grieshaber, Victor Vasarely und anderen.

In Schweden arbeiten gegenwärtig Künstler wie Eva Hild, Gustav Nordenskiöld oder Kennet Williamson, in Helsinki Kim Simonsson oder Pekka Paikkari (Art Department Arabia) an den Möglichkeiten, die dieser harte aber dennoch formbare, leicht zu bearbeitende aber dennoch unberechenbare Werkstoff bietet.

Die Möglichkeit der Vervielfältigung, das Spannungsfeld zwischen „dekorativem Objekt“ und „Kunstwerk“ auszuloten, Fragen an den Werkstoff zu stellen im Hinblick auf seine Tradition und materialgerechte Bearbeitbarkeit, das macht das Reizvolle auch für Konzept-Künstler der Gegenwart aus. 

Lifestyle - die Lust schön zu leben


Sage mir wie du wohnst und ich sage dir wer du bist!

Nichts drückt Lebensstil mehr aus, als das persönliche Wohnumfeld. Seit geraumer Zeit wird ein ganzheitliches Wohnkonzept, vom Haus über die Räume bis zum Interieur - zu dem auch Porzellan gehört - propagiert. Vor 1900 lieferte Adolf Loos, Leitfigur eines neuen „ornamentlosen“ Stils, Vorlagen für geschlossene Raumgestaltungen. In Deutschland sind es die Mitglieder der Darmstädter Mathildenhöhe, wie Peter Behrens, Josef Olbrich oder Richard Riemerschmid.

Nach dem Zweiten Weltkrieg sind es zunächst amerikanische Architekten, die einen ganzheitlichen Wohnstil propagieren. Zahlreiche Wohn- und Architekturzeitschriften kommen bald darauf weltweit auf den Markt. Als Ratgeber sollen sie helfen, einen individuellen Stil zu entwickeln und auszuprägen. Zum Wohnumfeld gehört unbestreitbar die Tischkultur. Das Zentrum der gedeckten Tafel ist und bleibt das Porzellan. Alles andere, Besteck, Gläser, Tischdecke, Blumen etc. sind nur Accessoires, die den Gesamteindruck verfeinern. Die Stilunterschiede äußern sich nicht nur in den verschiedenen Formen und Dekoren, sondern auch in der Art und Weise, wie die Tafel gestaltet ist. Hinzu kommen nationale Besonderheiten, die sich in einer veränderten Speisenreihenfolge und speziellen Serviceteilen äußern. Die Art, wie die Tafel gedeckt und dekoriert wird, orientiert sich zudem an familiären Traditionen, am sozialen Status, etc.

Eine genaue Analyse von nationalen wie schichtenspezifischen Unterschieden und Gemeinsamkeiten ist bisher nicht erfolgt. Als Quellen dienen authentische Dokumente der Zeit. Filme sind einzigartiges Zeugnis des alltäglichen Lebens in realer Kulisse. Sie spiegeln aber nicht nur die Realität wider sondern zeigen ersehnte Ideale und Wertvorstellungen. Ob Kindergeburtstag, Staatsdiner, Grillparty oder Hochzeitsbankett, alles findet sich wieder in Wochenschauen und Spielfilmen. Daneben sind es vor allem Illustrierte, Hochglanzmagazine oder Zeitschriften, die in Textbeiträgen und Werbeanzeigen das Porzellan im Fokus präsentieren.

Das was Porzellan im Kontext von Lifestyle und Lebensgefühl heute für verschiedenste Zeitgenossen bedeutet, lässt sich in Interviews hervorragend dokumentieren. Die Adressierten, Politiker, Prominente, Porzellan-Sammler, Studenten oder Arbeiter spiegeln mit ihren Antworten einen subjektiven, aber dennoch hochinteressanten Querschnitt des Lebensgefühls der heutigen Gesellschaft im Kontext mit Porzellan wider.

Katja Winkler

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Katja Winkler lebt nahe der A9 zwischen Frankenwald und Fichtelgebirge und ist daher prädestiniert, beide Gebiete zu betreuen.